Rippers

15-Ein Lord Unter Falschem Verdacht

Kurzfassung: Marcus Fitzgerald, Henry Muller und Sergeant Ryan, drei der Dashwood Lodge nahestehende Ripper, folgen der Spur eines entführten Indianers vom Lononer Bahnhof bis nach Edinburgh. Bei einer Auseinandersetzung mit den Entführen stirbt Ryan, die zwei überlebenden suchen in der Lodge in Edinburgh nach Hilfe und treffen auf den verletzten Chi-Yu und Granger. Granger schließt sich den zwei Neuen an und sie verfolgen die Spur der Entführer weiter: bis zu einem "Spukhaus". Dort sind die Enführer mit Dämonen im Bunde. Ein Kampf kostet Marcus das leben, geht aber zu Gunsten der Ripper aus, und der gesuchte Indianer, Keke, wird befreit.

Tags darauf besuchen Chi-Yu, Keke und Granger die Höhle unter der Burg erneut. Ein Schacht nahe der Opferkammer führt hinauf ins Castle Edinburgh. Dort sind Vorbereitungen für einen Ball im Gange, die Gruppe mischt sich als fingierte Artisten unter das Personal. Der Ball wird durch ein Feuer aus dem Schacht unterbrochen, nach dessem Abklingen unten verkohlte Dämonen gefunden werden, Grangers Vater wird der Brandstiftung beschuldigt. Man vermutet in Lord McKermode den Schuldigen für das alles hier. Granger verführt diesen geschickt und fesselt ihn sein Bett. Sie wird dabei von Sir McEwan erwischt, der anscheinend der wahre Übeltäter ist und sich verrät. Gemeinsam mit den Wachen überwältigt Granger McEwan, und die Machenschaften dieses Dämonenanbeters sind beendet.


Marcus Fitzgeralds Bericht von den Ereignissen des 15. und 16. Mai 1892

Anfänglich erhielten wir, d.h. ich, Marcus Fitzgerald – verarmter, flüchtender und fechtender Glücksritter aus den USA und meine Kollegen Henry Muller – englischer Ex-Soldat und Sergeant Ryan – ein Ex-Soldat aus den USA, allesamt Mitglieder der Londoner Lodge, folgenden Auftrag: einen entführten Mann zurück zu holen und nach Möglichkeit die Entführer dingfest zu machen. Wir wissen, es handelt sich um einen Indianer, wir wissen nicht wie er genau aussieht, oder wie er heißt. Er wurde am Bahnsteig gleich nach dem Aussteigen entführt. Unsere Suche beginnt daher erst einmal dort. Der „Sarge“ schreit in seiner, wie immer feinfühligen Art, den Bahnhofsaufseher an, während Henry und ich uns daran machen die Kutscher vor dem Bahnhof zu befragen. Die Entführer wurden gesehen, auch in welche Richtung sie davon gefahren sind. Wir besteigen eine der Kutschen und nehmen die Verfolgung auf. Die wilde Fahrt führt uns zunächst aus der Stadt in Richtung Norden. Bei Einbruch der Nacht nehmen wir Quartier auf der Strecke und stellen weitere Nachforschungen an. Die Verfolgten haben allerdings inzwischen die Hauptstraßen verlassen. Da ich diese jedoch auch gut kenne, gelingt es uns nach einiger Zeit wieder Anschluß zu finden, d.h. die Spur erneut aufzunehmen. An einer Wegstation, an welcher wir Pferde und Kutsche wechseln, erfahren wir das auch die von uns Gesuchten dies hier getan haben. Wie es aussieht haben sie leider auch das schnellere Gespann erwischt. Die Verfolgungsjagd bringt uns immer weiter gen Norden, Schottland ist nicht mehr weit. Kurz vor Edinburgh holen wir sie schon fast ein. Nachdem ich dem Kutscher ordentlich zugesetzt habe, haben wir endlich Sicht- und bald auch Schusskontakt, verlieren sie dann aber leider an der Stadtgrenze. Umso tragischer ist es das „Sarge Ryan“ bei dem Schusswechsel tödlich verletzt wurde.

Da uns nicht viel Anderes übrig blieb suchten wir St. Bridget um Hilfe bei der hiesigen Lodge zu erbitten. Wir fanden die Kirche vernagelt und versperrt. Zum Glück wusste ich, dass das Wohnhaus der Familie Granger, allesamt ruhmreiche Ripper seit Generationen, nicht weit von St. Bridget ist. In Ermangelung besserer Ideen gehen wir erst einmal dort hin, in der Hoffnung dort Unterstützung vorzufinden. Was wir vorfinden ist jedoch ein trauriges Bild: eine völlig aufgelöste Mary-Anne, einen nahezu katatonischen Marcus – einst ein Fels in der Brandung, doch jetzt am Boden zerstört – und eine leicht verletzte und zwischen Trauer und Wut hin und her gerissene Georgina. Mal aufbrausen, mal verzweifelt schildert sie uns kurz die Ereignisse der vergangenen Nächte hier in Edinburgh und stellt uns außerdem einen weiteren Ripper-Kollegen vor. Chi-Yu, ein Chinese, ist schwerst verletzt und dazu verdammt im Bett zu liegen. Wir tragen dennoch unsere Bitte um Hilfestellung vor und schildern unsererseits die Ereignisse der letzten Tage auf dem Weg nach Edinburgh. Nach einer kurzen Diskussion sehen wir jedoch ein, dass das Ehepaar Granger, die ja schließlich 2 Söhne in nur einer Nacht verloren haben, im Moment zu nichts fähig ist, als zu trauern. Chi-Yu zwar grundsätzlich die Hilfsbereitschaft in Person, aber im Augenblick einfach zu schwer verletzt ist um sich einem möglicherweise gefährlichen Einsatz anzuschließen.

Georgina, die offenbar den Wunsch verspürt irgendetwas kurz und klein zu schlagen, schließt sich uns als einzige Ortskundige an. Es dauert auch gar nicht lange und wir erfahren dass die von uns gesuchten Schurken bei einem stadtbekannten „Spukhaus“ gesichtet wurden. Im Schutz der Abenddämmerung pirschen wir (Henry, Georgina und ich) uns an das Gebäude heran. Beim Versuch an der Rückseite des Hauses durch eines der Fenster einzusteigen, machen wir leider mehr Lärm als beabsichtigt war. Kaum das wir alle eingestiegen sind, werden wir auch schon von einem der Schurken beschossen. Die Dunkelheit mindert die Trefferchancen auf beiden Seiten. Ein weiterer Gegner stellt sich uns, kurz darauf bricht ziemliches Chaos aus. Flammen lodern im Raum, zwei Ausgeburten der Hölle mit riesigen Flügeln stehen nahezu wie aus dem Nichts plötzlich unter uns. Das müssen die Dämonen sein, von denen Georgina gesprochen hat. Ihre Reaktion bestätigt meinen Verdacht. Mit der Wildheit einer Raubkatze lässt sie plötzlich den Dolch fallen, greift nach dem Kreuz um ihren Hals und richtet es, ebenso wie ihr Rapier gegen den nächstgelegenen Dämon. Ich höre noch wage wie sie schreit: „Vernichtet die Köpfe!“, doch ich werde selbst attackiert und schwer verletzt. Als gerade alles fast verloren zu sein schein, steht plötzlich ein Indianer in der Tür, seine Kleider hängen in Fetzen von ihm herab und er wirkt zerschunden, doch er bringt den Kampf schlussendlich zu einem Ende. Der erste Dämon ging auf Georginas Konto, der zweite auf das des Indianers. Zwei weitere Schurken wurden ebenfalls erledigt, einer konnte gefangen genommen werden. Der Chef der Bande wurde meiner habhaft, er wollte meine Kollegen mit meinem Leben erpressen, doch da hat er die Rechnung ohne mich gemacht. „Wir leben für das Gute, wir sterben für das Gute!“

Auszug aus dem Brieftagebuch von Georgina Granger

Liebster Finn,

noch immer ist mein Herz voll Trauer um Robert & Harry. Dennoch gibt es Sonne am Horizont, wenn auch durch eine Regenwolke getrübt. Erinnerst Du Dich noch an unseren Ausflug nach Glen Coe? – Genauso wie der Himmel damals beim Sonnenaufgang, kurz vor dem Platzregen. Aber du sollst erfahren wie es zu diesem Wechsel in meiner Stimmung kam.

Wir hatten in der Nacht des 15. auf den 16. Mai im Kampf gegen 12 dieser Balank-Dämonen meine Brüder verloren. Mum versank in Trauer, Dad gab sich anfänglich noch abgeklärt und klammerte sich an seinen Ripper-Codex, doch im Laufe des Tages verfiel auch er immer mehr seiner Trauer. Er saß nur noch in seinem Sessel, stierte vor sich hin und sprach mit niemandem mehr ein Wort. Auch ich wandelte am Abgrund, ein Teil von mir wollte einfach nur Rache, ein Teil von mir wollte sich der Verzweiflung ergeben. Tränen der Wut vermischten sich mit Tränen des Schmerzes. Fieberhaft überlegte ich, wie wir den Dämonen und ihrem Herrn bekommen konnten. Ich war mir sicher, dass Lord McKermode dahinter steckte. Doch wie sollten wir es bewerkstelligen, Robert und Harry, und nicht zu vergessen auch William waren tot. Auch der Verlust seiner ging mir nahe, wenn er auch von der Trauer um meine Brüder überschattet wurde. Chi-Yu war schwer verletzt, sein Leben hing, wenn auch nicht am seidenen Faden, so doch an einem recht dünnen Seil. Nun also, das Trübsalblasen im Hause Granger hatte seinen Höhepunkt erreicht, es war bereits wieder Abend geworden, da klopfte es plötzlich an der Tür. Als ich öffnete standen drei Männer, die ich schon mal in der Londoner Lodge gesehen hatte vor mir. Das heißt, zwei Männer und ein Toter. Um nicht noch mehr Aufsehen zu erregen, ließ ich sie rasch ein. Wie sich herausstellte handelte es sich um Marcus Fitzgerald und Henry Muller, sie hatten den toten Sergeant Ryan zwischen sich geklemmt und trugen ihn, wie man einen Besoffenen heimwärts begleitet. Nachdem wir uns alle einander vorgestellt hatten, baten sie uns um die Mithilfe der Edinburgh-Lodge bei ihrem Auftrag. Ich schilderte ihnen die Ereignisse der letzten Tage, wobei ich leider auch eingestehen musste, dass die Lodge, welcher meine Familie seit Anbeginn dient, im Moment nicht einsatzfähig ist. Ich erklärte, dass ich quasi das einzige halbwegs einsetzbare Mitglied bin, ich mich aber um die Reste meine Familie und um meinen Kollegen Chi-Yu kümmern müsse. Ich fürchte ich machte bei meiner Schilderung keinen sehr gefestigten Eindruck, aber in dem Augenblick war es mir völlig egal ob ich stark oder schwach wirkte. Meine toughe Fassade hatte bereits nachts zuvor in dieser Höhle zu bröckeln begonnen. Sie schilderten uns ihrerseits was in London geschehen war. Sie erzählten von der Entführung, ihrem Auftrag und ihrem Scheitern bei der Verfolgung der Schurken. Nicht unweit der Stadtgrenze hätten sie sie beinahe gehabt. Doch jetzt, wo sie bei dem Schusswechsel auch noch ihren Kollegen verloren hatten, bräuchten sie unsere Hilfe, um die Verbrecher aufzuspüren und den Indianer vielleicht doch noch zu befreien. Keiner von beiden wäre hier ortskundig, sie hätten außerdem keine weiteren Verbindungen in der Stadt.

Marcus und Henry taten mir ja leid, aber ich hatte doch hier wirklich genug eigene Probleme. Rache – Verzweiflung - Wut – Trauer, Rache – Verzweiflung - Wut – Trauer, Rache – Verzweiflung - Wut – Trauer, ich musste was tun – irgendwas. Nachdem Chi-Yu beteuert hatte, auch ohne meine Pflege auszukommen, und sich ganz fest und ausschließlich ums Gesundwerden zu kümmern, brach ich mit den beiden auf. Es kostete nicht viel Zeit und ich hatte bei meinen alten Quellen Informationen über den Aufenthalt von zwielichtigen, suspekten Personen, welche auf Marcus’ und Henry’s Beschreibung der Gesuchten passten, erhalten. Uns wurde die Adresse eines als „Spukhaus“ verschriehenen Gebäudes am Rande der Stadt genannt. Ich kannte das Haus, es handelt sich um eine schwerst baufällige Ruine, die einst einmal eine schöne Villa gewesen sein muß. Wir pirschten uns von der Rückseite aus an. Es gab dort sehr viele Büsche und somit gute Deckung. Eines der rückwärtigen Fenster im Erdgeschoß schien der ideale Zugang zum Inneren des Hauses zu sein. So leise wie möglich kletterten wir hindurch, dennoch wurden wir bemerkt. Einer der Schurken stürmte den Raum, in welchem wir uns befanden. Zum Glück behinderte die Dunkelheit nicht nur uns, sondern auch ihn. Er schoß knapp an Henry vorbei, aber auch Marcus verfehlte einige Male sein Ziel. Es ging alles sehr schnell, plötzlich wurde es hell im Zimmer und Flammen schlugen uns entgegen. Jemand hatte eine Art Brandbombe ins Zimmer geworfen und das alte, morsche Holz fing rasch Feuer. Um das Bild komplett zu machen tauchten auch noch 2 Balank-Dämonen auf. Einen von ihnen konnte ich mit nur wenigen Stichen niederstrecken. Mitten durch den Kopf, der Todesschrei der Kreatur, und der seiner Brut, welche ich gleich miterledigt hatte, war Musik in meinen Ohren. „Für Robert und Harry!“ Ich wollte weiter, mir den zweiten Dämon vorknöpfen, da stellte sich mir ein besonders fieser von diesen Verbrechern entgegen. Er hatte einen bemerkenswerten Kampfstil, ich konnte nur wenig gegen ihn ausrichten, wahrscheinlich auch weil mein Fokus dummerweise noch immer auf den Dämon gerichtet war. Es ging drunter und drüber, kurz verlor ich die Übersicht über das Geschehen. Wie es kam weiß ich nicht, aber plötzlich stand ein Indianer in der Tür, und etwas Leuchtendes kam direkt aus seiner Brust. Dieser Lichtstrahl richtete sich auf den Dämon, welcher daraufhin in Flammen aufging, ebenfalls mitsamt seiner Brut. Das gab uns so viel Mut und Zuversicht zurück, dass wir zwei der Schurken töten und einen gefangen nehmen konnten. Ihr Anführer entzog sich uns, schaffte es noch den schwerst verletzten Marcus in seine Gewalt zu bringen. Doch sein Erpressungsversuch wurde von Marcus, der sich heroisch opferte, vereitelt. Der Halunke floh.

Wir kehrten zurück in die Lodge das Haus meiner Eltern. Nun, Siegestaumel wäre zuviel gesagt, aber ich hatte nun doch wieder einen Motivationsschub. Mum kümmerte sich um Keke, den Indianer. Er hatte sich inzwischen als Robert Kekewapilethy vorgestellt, was – wenn ich mir das richtig gemerkt habe – Ruhender Falke bedeutet. Und er erzählte uns was ihm widerfahren ist. Außerdem dass er gehört hatte, wie die Banditen darüber gesprochen hatten, dass er als Attraktion für einen reichen Mann, quasi als Sammlerstück, entführt wurde. Diese Information untermauerte meinen Verdacht gegen Lord McKermode selbstverständlich noch stärker. Chi-Yu war vollständig genesen, er hatte offenbar mit seinen komischen Nadeln experimentiert und wohl den richtigen Längengrad erwischt. Dad saß noch immer in seinem Sessel, exakt in derselben Pose, die er schon innehatte als wir vor mehreren Stunden das Haus verließen. Wir beschlossen, uns erst einmal auszuruhen und am folgenden Tag weitere Schritte zu überlegen. Am Morgen danach, beschlossen wir – Chi-Yu, Keke und ich, Henry war zu schwer verletzt worden - uns die Höhle einmal bei Tage zu besehen. Chi-Yu hegte die Hoffnung, dass es sich bei diesen Dämonen um nachtaktive Wesen handelt und sie tagsüber nicht so stark sind. Wir zogen los, erklommen den Berghang und gelangten in die Katakomben-Höhle. Durch ein Ablenkungsmanöver von Chi-Yu konnten wir sie aus dem Hauptraum der Höhle, in einen der von uns weiter entfernten Seitenarme locken. So gelangten wir ohne weitere Probleme durch den kritischsten Bereich. Nur weiter hinten hingen noch drei der Kreaturen schlafend von der Decke. Sie hatten den Ablenkungslärm nicht gehört, und sie hörten auch uns nicht, wie wir an ihnen vorbei schlichen. Wir gelangten zu einem zylinderförmigen Schacht der aufwärts führte und mit Steigeisen versehen war. Die Luke war verschlossen, doch für Chi-Yu war das gar kein Problem. Als wir alle oben waren, konnte ich den Hof in dem wir standen, als einen der Innenhöfe von Edinburgh Castle identifizieren. Um uns herum war geschäftiges Treiben. Unglaublich viele Dinge, Möbel, Vasen, Instrumente, Essen & Getränke wurden durch die Gegend getragen. Der große Ball, wir hatten ihn schon fast vergessen. An diesem Abend sollte doch der große Ball stattfinden, wir hatten doch vor 2 Tagen davon erfahren und hatten schon überlegt wie wir denn an eine Einladung gelangen könnten. Dieses Problem löste sich schlagartig. Einer der Diener wurde plötzlich auf uns aufmerksam. Er kam schnell auf uns zu und befragte uns sehr schroff, wer wir sind, was wir hier tun usw. Geistesgegenwärtig, wie nie zuvor, flunkerte ich ihm vor, wir seien Teil des Unterhaltungsprogramms für den Ball, und wir hätten den Überblick verloren und suchten doch nur das Quartier der Artisten. Der Lakai musterte uns zwar noch einen Moment, aber bei dem Anblick: Ein Chinese, ein Indianer und eine einäugige Frau in diesen Klamotten, glaubte er mir wohl und wies uns die Richtung. Rasch fanden wir die genannte Örtlichkeit und mischten uns unter das bunte Völkchen. Unter all diesen bunten Vögeln fielen wir gar nicht auf. Chi-Yu mischte sich unter die Chinesen und versuchte Informationen aus den verschiedensten Gesprächen herauszufiltern. Keke und ich gaben vor für eine Messerwerfnummer zu üben, während wir in Wirklichkeit das Gelände auskundschafteten. Keke hatte eine wunderbare Idee, wir bewegten uns erneut in Richtung der Klappe im Hof, welche zu den Katakomben führt, um dort eine Münze anzubringen, sodaß wir es sehen würden falls jemand diesen Zugang benutzt hätte. Außerdem versteckte ich meinen Mantel, meinen Hut und die Waffen in der Nähe unter einem Busch. Wenn man es nicht wusste waren die Sachen nicht zu sehen, so wollte ich sie griffbereit haben falls wir hinab müssen, aber da ich mit diesen Dingen zu leicht wieder zu erkennen war, war es so sicherer. Da ich mich etwas nackt fühlte, so ganz ohne meine Waffen, so behielt ich den kleinen Dolch im Stiefelschaft. Am Abend strömten dann die aufgetakelten Adligen und sonstige wichtige Leute in Scharen aus ihren Kutschen und in den großen Ballsaal.

Wenn Du mich hättest sehen können, Du hättest mich vermutlich nicht erkannt. Ich hatte mir eine Halbmaske besorgt und meine Haare hoch gesteckt. Außerdem habe ich die Bluse weiter aufgeknöpft, als es gemeinhin als schicklich gilt, aber die übrigen Artistinnen zeigten noch viel mehr Haut. Primär ging es mir darum, die Aufmerksamkeit von meinem Gesicht zu ziehen, um vor allem den Wiedererkennungswert zu minimieren. Und gut war diese Idee, denn unter den Gästen konnte ich den Inspektor ausmachen, welcher William und mir letzthin die Auskunft über Onkel Hamish gegeben hat. Er hätte mich garantiert sofort wieder erkannt. Als der Ball schon eine Weile ging, wollten Keke und ich Luke kontrollieren, als wir dort ankamen konnten wir Flügelschlagen und Schreie vernehmen, wenige Momente später loderten Flammen heraus. Nur wenige Augenblicke später waren etliche Schaulustige herbeigelaufen, natürlich auch Lord Lachlan McKermode und seine ständigen Begleiter dieses Abends. Sir Williams, ein englischer Adliger und offenbar so was ähnliches wie ein Leibwächter. Außerdem Sir McEwan, ein schottischer Adliger und augenscheinlich eine Art Berater des Lords. Die Spannung zwischen den beiden ist weithin bekannt, doch während des Balls lief selbstverständlich alles als ob es nicht besser sein könnte. Alle beide wirkten sehr interessiert an dem Geschehen. Die Dienerschaft und einige Artisten, sowie einige der weniger dekadenten Gäste bildeten umgehend eine Löschschlange, ich die auch wir uns einreihten. Als die Flammen etwas nachließen, schloß sich Keke ein paar Leuten an die sich mutig in den qualmenden Abgrund wagten. Er stellte fest, dass es unten Überreste von Öl gab, außerdem mehrerer verkohlte Dämonen, zumindest konnte man es als das identifizieren, wenn man musste wie so was aussah. Für jemand Unbedarften war es vermutlich nur ein verkohlter Leichnam. Nach einer Weile wurde plötzlich von ein paar Gardisten ein zappelnder, schimpfender Mann gebracht und als Brandstifter präsentiert. Mir blieb fast das Herz stehen, als ich die Stimme meines Vaters erkannte. Mir wurde abwechseln heiß und kalt, Panik kam auf. Es kostete mich unsägliche Selbstbeherrschung in diesem Moment nicht aus der Rolle zu fallen. Ein Ausbruch und eine Deklarierung meinerseits hätte in diesem Moment niemandem etwas gebracht. Ihm hätte es nicht geholfen, es hätte nur zur Folge gehabt, dass auch ich inhaftiert worden wäre. Ich hätte keine Chance mehr gehabt Beweise für die dämonologischen Umtriebe von Lord McKermode zu finden. Der Lord erklärte, dass dieser Mann – mein Vater – zu inhaftieren sei, es würde ihm in wenigen Tagen der Prozess gemacht. Das war der Moment, wo ich beschloß nicht mehr auf eine Chance zu warten, sondern mir eine Chance zu machen. Ich verließ den Löschtrupp in Richtung der Artistengarderoben. Dort wusch ich mich und ließ mich in ein Kleid stopfen, dass wider alle guten Sitten ging. Außerdem wurde meine Frisur frisch gemacht und ein perfektes Make up zu einer sehr glamourösen Maske aufgebracht. Einige Pfiffe und „o la la“s bestätigten mir, dass ich offenbar erreicht hatte was ich beabsichtigte, der Mann der mir jetzt noch widerstehen kann muß tot sein. Um diesem vermaledeiten Lord das Handwerk zu legen, warf ich sämtliche meiner Moralvorstellungen über Bord. Ich war bereit so weit zu gehen, wie es eben notwendig war. Keine Sorge, es war nicht notwendig zum Äußersten zu gehen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es gewesen wäre, hätte ich wirklich…gemusst….. Igitt! Zielstrebig ging ich also in meiner aufreizenden Aufmachung in den Ballsaal, tänzelte mich mit dem einen oder anderen Herrn Stück für Stück durch den Saal, bis ich endlich in die Nähe von Lord McKermode gelangte. Meine Erscheinung verfehlte ihre Wirkung absolut nicht. Es dauerte nicht lange, und ich hatte den alten Esel um meinen kleinen Finger gewickelt. Er lud mich ein, ihn in sein Gemach zu begleiten. Dort angekommen gab ich mich noch ein wenig lasziv, und als ich allmählich spüren konnte, dass er immer erregter wurde, dirigierte ich ihn unauffällig Richtung Bett und im richtigen Augenblick, als er halb in mein Dekolleté versank, zog ich ihm meinen Dolchknauf hinten über den Schädel. Das knockte ihn ziemlich aus. Ich band ihn an Armen und Beinen ans Bett, sodaß er, wenn er mit Kopfschmerzen erwachte, glauben sollte er hätte sich wilden Leidenschaften hingegeben die aus dem Ruder liefen. Ich dachte zwar nicht daran, dass dies glaubhafter wäre, wenn ich ihn entkleidet hätte, aber danach kräht jetzt ohnehin kein Hahn mehr. So schnell ich konnte durchsuchte ich das Zimmer, durchwühlte den Schreibtisch, die Kommode und sah auch hinter alle Bilder ob irgendwo ein Wandsafe verborgen gewesen wäre. Ich fand lediglich ein paar politisch prekäre Papiere, die ich an mich nahm. Leider nichts von dem was ich zu finden gehofft hatte. Als ob das nicht schon schlimm genug war, klopfte es plötzlich an der Tür. Da mir gerade nichts Besseres einfiel, fing ich an eindeutige Stöhngeräusche von mir zu geben. Megan hatte mir einmal erzählt, eine ihrer Kommilitoninnen im Internat war schon mit einem Mann zusammen gewesen, und sie hat erzählt das man beim Liebesakt immer stöhnt. Also, das war entweder eine Lügengeschichte, oder ich habe es einfach nicht richtig gemacht, woher sollte ich auch wissen wie das richtig klingt? Jedenfalls flog die Türe auf und Sir McEwan stand im Raum, eine Schusswaffe in den Händen. Er blickte zum Bett, schaute dann recht überrascht, da er offen 2 Personen dort vermutet hatte. Dann drehte er sich langsam in meine Richtung, ich war nicht mehr dazu gekommen mich irgendwo zu verstecken. Als er mich erblickte, griff er mich direkt und persönlich an, vorerst nur verbal. Er warf mir vor, ihm nun schon mehrmals ins Handwerk gepfuscht zu haben, und sagte mir, dass würde jetzt reichen. Ich solle mich doch bitte nicht vom Fleck bewegen, er kümmere sich gleich um mich, es sei so praktisch, so könne er den Lord und seine Mörderin quasi in einem Aufwasch erledigen. Dann wandte er sich mit der Waffe dem Lord zu. Wenn ich den Lord auch nicht mochte, so musste dieser Mord dennoch verhindert werden, also schrie ich wie am Spieß. Gleichzeitig versuchte ich McEwan zu entwaffnen, doch dieses blöde Kleid schränkte meine Bewegungsfreiheit zu sehr ein. Zum Glück dauerte es nicht einmal eine Minute, und es kamen Gardisten zur Hilfe. Während dem ganzen Handgemenge brach der eine oder andere Schuß, so mancher traf auch. Der Lord erwachte und war nur wenig begeistert sich nicht rühren zu können. Es ging alles sehr schnell, McEwan konnte überwältigt werden. Ich befand mich plötzlich in Erklärungsnotstand, konnte jedoch den Lord davon überzeugen, dass ich sein Leben beschützt habe. Anschließend entschloß ich mich die Karten auf den Tisch zu legen. Ich erzählte ihm von den Rippern, das dauerte eine Weile, ich konnte ihn schlussendlich davon überzeugen, dass wir die Guten sind. Das Resümee des Ganzen ist jedenfalls das McEwan als Landesverräter angeklagt wurde. Dad und Onkel Hamish wurden frei gelassen, die Lodge wieder geöffnet. Die prekären Papiere habe ich als Zeichen meines guten Willens für dieses Bündnis wieder an ihn ausgehändigt.

Ein paar Tage „gönnte“ ich mir noch in Edinburgh, schließlich wollte ich meinen Eltern beistehen, bei der Wiedereröffnung der Lodge helfen und vor allem die Trauerfeierlichkeiten für meine Brüder und die anderen Gefallenen dieser Krise zu organisieren. Das nächste Mal schreibe ich dir dann schon wieder in London, denn hier kann ich zumindest vorerst nicht bleiben, zu schmerzhaft sind die Erinnerungen, welche ich mit diesem Ort verbinde.

Für Immer Deine Georgina